Schwerbehinderung Teil 1
Dieser Artikel befasst sich mit schwerbehinderten Menschen. In der Praxis fällt auf, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Frage, ob sie eine anerkannte Schwerbehinderung haben, zusammenzucken. Die Frage dient dem Abklopfen und der Klärung rechtlicher Möglichkeiten im Rahmen arbeits- oder sozialrechtlicher Beratung. Eine anerkannte Schwerbehinderung liegt häufig schon vor, wenn der oder die Betroffene dies noch gar nicht bedacht haben. Wir wollen ein wenig aufklären.
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Wer ist schwerbehindert?
Eine Behinderung kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Dabei wird eine Abstufung des Grades der Behinderung („GdB“) auf einer Skala bis 100 (sehr schwere Behinderung) vorgenommen und zwar in Zehnerschritten. Von einer „Behinderung“ wird dabei erst ab einem Grad der Behinderung von 20 gesprochen. Der GdB wird auf der Grundlage ärztlicher Untersuchungen ermittelt.
Schwerbehindert sind Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs.2 SGB IX).
Wer ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt?
Gleichgestellte behinderte Menschen sind gemäß § 2 Abs.3 SGB IX
- behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber von mindestens 30,
- die rechtmäßig in Deutschland wohnen oder sich hier gewöhnlich aufhalten oder beschäftigt sind,
- die infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können,
- deren Gleichstellung die Arbeitsagentur gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX ausgesprochen hat.
Der Vorteil einer Gleichstellung besteht für den gleichgestellten behinderten Menschen hauptsächlich darin, dass er in derselben Weise wie ein Schwerbehinderter vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber geschützt ist.
Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags auf Gleichstellung bei der Arbeitsagentur wirksam.
Wie erreiche ich die Anerkennung der Schwerbehinderung?
Sie müssen zunächst bei dem zuständigen Amt einen entsprechenden Antrag stellen, § 69 Abs.1 SGB IX. In Sachsen-Anhalt ist dies das Landesverwaltungsamt.
Wenn Sie sich dazu entschlossen haben, einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung zu stellen, müssen Sie einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen, in dem nach gesundheitlichen Störungen, Krankheiten, behandelnden Ärzten und auch danach gefragt wird, ob Sie in den letzten Jahren bereits wegen eines Rentenantrags untersucht worden sind usw.
Auf dieser Grundlage holt das zuständige Amt in aller Regel Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und trifft dann seine Entscheidung.
Welchen besonderen Schutz hat ein schwerbehinderter Mensch?
Gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Entsprechende Regelungen finden sich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es verbietet eine Diskriminierung schwerbehinderter Menschen vor allem
- bei der Einstellung,
- beim beruflichen Aufstieg,
- bei der Durchführung eines Arbeitsverhältnisses und
- bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bzw. bei den „Entlassungsbedingungen“.
Des Weiteren können schwerbehinderte Menschen einen besonderen Schutz vor Kündigung durch den Arbeitgeber in Anspruch nehmen (§ 85 SGB IX) und gesetzlicher Zusatzurlaub von 5 Tagen steht ihnen zu (§ 125 SGB IX).Allerdings haben gleichgestellte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 68 Abs.3 SGB IX). Die Gleichstellung ist nur bezogen auf den besonderen Schutz schwerbehinderter Menschen gegenüber einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
In der nächsten Ausgabe wenden wir uns dem Thema zu, was für die Geltendmachung des Schutzes zu beachten ist, welche Rechte am Arbeitsplatz bestehen und welche interessanten Urteile es gibt.